Föderalismus

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EstherM
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Föderalismus

Beitrag von EstherM » 20 Jul 2021, 18:18

Hallo zusammen,
nach der Diskussion zum Thema Föderalismus in dem Thread "Lehrer/Experten/Geeks in NWT, Physik und Informatik gesucht" möchte ich hier gerne etwas grundlegende politische Bildung wiederholen. Disclaimer: Ich bin keine Juristin, schon gar keine Verfassungsrechtlerin. Ich nehme an, dass über das hier dargestellte Wissen auch andere Foristen verfügen, aber eben anscheinend nicht die beiden, die sich zu dem Thema geäußert haben.

Also:
Wie Ihr alle sicher wisst, gilt in der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz. In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.". Wichtig für die weitere Argumentation ist der Begriff "Bundesstaat". Weiter heißt es in Artikel 79, Absatz 3: "Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."

Was heißt das? Der Föderalismus steht nicht zur Diskussion. Punkt!

Wie kommen wir jetzt von da zu den für jedes Bundesland unterschiedlichen Lehrplänen? Es gilt: "Schulen sind Ländersache". Warum?
Artikel 70 sagt "(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht."
Danach folgen mehrere Artikel, die auflisten, auf welchen Gebieten der Bund die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung hat. Da in diesen Listen das Schulwesen nicht genannt ist, sind die Länder dafür zuständig. Diese Listen werden gelegentlich reformiert, das nennt sich dann Föderalismus-Reform. Der Bund könnte also auch für Schulen zuständig werden. Dafür wäre aber eine 2/3-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat nötig. Das wird also nicht passieren, und das ist auch gut so.

Ich schreibe das, weil ich unbedingt vermeiden möchte, dass Dritte behaupten können, dass ich oder andere sich in einem Forum tummeln, das Aussagen unkommentiert stehen lässt, die sich als verfassungsfeindlich interpretieren lassen.

Gruß
Esther

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Baudobrigus
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Re: Föderalismus

Beitrag von Baudobrigus » 20 Jul 2021, 18:51

@Esther, @alle:
Bravo! - Ich stimme dir da uneingeschränkt zu. Objektiv betrachtet ist unser föderales System in Deutschland ein Glücksfall, um den wir von unseren europäischen Nachbarn, insbesondere von Frankreich, beneidet werden.
Nur einige gewichtige Vorteile:
- dezentral organisierte wirtschaftliche Infrastruktur mit relativ vielen Zentren
- eigenständige Kulturlandschaften mit ausgeprägtem Lokalkolorit
Unser wirtschaftlicher Wohlstand und unsere weltweit geschätzte kulturelle Vielfalt haben wir maßgeblich unserer föderalen Struktur zu verdanken.
Selbstverständlich wäre das eine oder andere stärker zentral gestaltete Element (z.B. in der Bildung) wünschenswert, aber Bildung ist nun einmal mit das Wertvollste, was an kultureller Hoheit zu hegen und pflegen ist ...

Gruß
Eckehart
Grüße vom Holderbergerhof, 45 Gehminuten zur Festung Ehrenbreitstein in Koblenz

kräml
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Re: Föderalismus

Beitrag von kräml » 20 Jul 2021, 22:27

@Esther, danke ging auch schon mit diesem Gedanken schwanger.
EstherM hat geschrieben:
20 Jul 2021, 18:18
Was heißt das? Der Föderalismus steht nicht zur Diskussion. Punkt!
Warum? Darum: https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichschaltung
Gleichschaltung bezeichnet die erzwungene Eingliederung aller sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kräfte in die einheitliche Organisation einer Diktatur, die sie ideologisch vereinnahmt und kontrolliert. Seit den 1930er Jahren bezeichnet das Wort den Prozess der Abschaffung des Föderalismus und der Vereinheitlichung des gesamten gesellschaftlichen und politischen Lebens in der Machteroberungsphase der Zeit des Nationalsozialismus.
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