Hallo Dirk,
der Audi 60 war mitnichten der Retter, als der er gern heute dargestellt wird. Aber er war das richtige Auto zur richtigen Zeit. Die sieche Auto Union, durch verzweifeltes Festhalten am Zweitaktmotor immer weiter in die Bedeutungslosigkeit und in den Besitz Daimlers gerutscht, hatte schlicht nur diesen einen Strohhalm. Der Audi war als DKW F102 geboren worden, Daimler hatte einen unkultivierten Motor aus einem gescheiterten Militärprojekt übrig, und die Kombination von beidem ermöglichte der Auto Union mit der wiederbelebten Marke Audi das Überleben (unter dem Volkswagen-Dach, nachdem Daimler seine Anteile dorthin verkauft hatte)
Durch den schweren Motor vor der Vorderachse, für den das Auto gar nicht ausgelegt war, war die Schwerpunktlage nicht optimal, Fahr- und Lenkeigenschaften beeinträchtigt, und VW hatte, ohne zu begreifen, dass man selbst dabei war, mit luftgekühlten Heckmotorkapseln in der technischen Steinzeit zu verharren, auf der Suche nach weiteren Produktionskapazitäten längst das Ende der Auto Union beschlossen.
Der Audi (60 / 75 / 80 / Super 90) verkaufte sich deshalb, weil er solide Technik zu einem günstigen Preis bot, eine Aufstiegsmöglichkeit für diejenigen Kunden, die dem Käfer oder anderen Kleinwagen entwachsen waren, den Schritt zum "herrschaftlichen" Daimler oder "sportlichen" BMW der Neuen Klasse aber nicht machen wollten. Es waren Spießer-Autos, aber sie trafen auf eine Marktlücke.
Gerettet und den Aufstieg von Audi eingeleitet hat der entgegen der Anweisungen aus Wolfsburg heimlich entwickelte Audi 100, der aber die selbe Kundschaft wie der kleine Audi bediente. Auch die erste Audi 100 Generation litt an einer gewissen Freudlosigkeit, war aber, da von Anfang an für den schweren Motor konzipiert, technisch wesentlich reifer. Stabiles Fahrverhalten, reichlich Platz und doch ein gewisses Prestige durch optische Nähe zum Daimler /8 - man vergleiche nur die Armaturenträger oder Sitze - zum volkstümlichen Preis ließen sich einer gewissen Klientel, die sich gleichermaßen durch Vernunft (günstiger Preis, solide Technik, beachtliches Platzangebot) und Bescheidenheit ("nur" ein Audi, kein Daimler) auszeichneten, gut verkaufen. Nicht umsonst fuhren zwei meiner vier Grundschullehrer Audi 100 (während die Grundschuldirektorin, was mich nachhaltig beeindruckt hat, einen zitronengelben, zweitürigen BMW 2002 recht zügig bewegte).
Der wirkliche Imagewandel, hin zum Innovationsträger, setzte mit der Vorstellung des Audi 100 Coupe S ein:

Da war dann Schluss mit Zurückhaltung, das Buchhalter-Beige machte 70er-Jahre-Signalfarben platz, und die Fahrleistungen des Coupe konnten durchaus mit dem italiensch anmutenden Äußeren mithalten.
Und wo ich gerade so schön off topic bin, der Werbeslogan "Vorsprung durch Technik", der über Jahrzehnte fest mit "Audi" und "Quattro" verbunden war und noch ist, ist auch nur ein Erbstück aus einer stiefmütterlichen Beziehung Volkswagens: 1969 kaufte man die mit der Entwicklung des Wankelmotors in Schieflage geratene traditionsreiche Marke NSU auf, deren letztes Fanal für eine Zukunft, die nie stattfand, der unvergleichliche wankelgetriebene Ro80, ab 1972 mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" beworben wurde.
Und das bringt mich - Corona sei dank - noch zu dem fun fact, dass der älteste erhaltene NSU Ro80 in der Modefarbe CORONAGELB, gebaut in meinem Geburtsjahr 1972 und erstausgeliefert an die Familie von Arnim, in meiner Garage steht.
Und um den Kreis zu schließen und wieder zurück zum Thema Werbung zu kommen:
