Bildungspolitische Argernisse

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EstherM
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von EstherM » 26 Mär 2020, 17:47

Hallo zusammen,
es lag mir fern, mit meiner Anfrage nach den sinnlosesten Hausaufgaben Lehrer-Bashing zu betreiben. Aber so ab und zu kommen halt doch mal Aufgaben um die Ecke, die ich für absolut sinnlos halte. Bei meinen Kindern hielt sich das erfreulicherweise sehr im Rahmen (oder sie haben sich nicht beschwert), aber ich habe gelegentlich Nachbarskindern geholfen.
Platz 1: Die Viertklässlerin, die auf einem Arbeitsblatt eine Glühbirne beschriften sollte. Da waren Worte in die Lücken einzutragen, von denen ich noch nie zuvor gehört habe und die ich umgehen wieder vergessen habe. Natürlich habe ich das Mädchen das Arbeitsblatt selbst ausfüllen lassen. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her und die junge Dame studiert inzwischen, aber die Aufgabe war schon damals nicht zeitgemäß.
Platz 2: Der Waldorf-beschulte Nachbarsjunge, der ein Säckchen stricken sollte (mit vier Rundstricknadeln). Dank der waldorfmäßig dicken Wolle war ich schnell fertig, der Junge brauchte nie wieder stricken, und die Lehrerin hat ihn gelobt, weil er sich nicht hat von seiner Mutter helfen lassen.
Platz 3: Der aktuelle Trockenschwimmkurs im Programmieren.

Natürlich lernt man nichts, wenn man die Hausaufgaben von anderen abschreibt. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass der Sohn von "VerzweifelteMutti" auch nichts lernt, wenn er einfach die Beispielprogramme raussucht und anpasst, außer ein falsches Bild davon, was Programmierung ist. Solange er seine Programme nicht ausprobieren kann, ist das Ganze ein besserer Zeichenkurs.
Programmieren lernen könnten die Schüler prima in einem Online-Kurs, aber wenigstens ein Tablet bei jedem Schüler wäre dafür schon nötig. Und da hat Jan völlig recht: die Schulen und die Bildungspolitik haben die Digitalisierung völlig verschlafen.

Und ja, die allermeisten Lehrer machen auch jetzt einen guten Job, und oft sind die Eltern das größere Problem. Wieso die Eltern der Klassenkameraden von Peters Sohn nicht dankbar sind, dass die Kinder wenigstens ein paar Stunden mit Hausaufgaben beschäftigt sind, ist mir ein Rätsel. Bei der Aufgabe, ein Plakat zu gestalten, sehe ich noch das Problem, dass gerade die Schreibwarengeschäfte und die Büchereien geschlossen haben. Aber irgendwelches geeignete Papier hat doch jeder wohl zu Hause, oder er fragt beim Nachbarn (s. oben). Was aber da passiert, ist eine Benachteiligung der Kinder, die den ganzen Tag nichts tun, und den Kindern, die selbstständig oder von den Eltern angeregt eine Gelegenheit zum Lernen finden.

Hoffen wir, dass alle unsere Kinder gut durch diese Zeit kommen.
Gruß
Esther

Burkhard
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von Burkhard » 26 Mär 2020, 20:04

EstherM hat geschrieben:
26 Mär 2020, 17:47
Platz 3: Der aktuelle Trockenschwimmkurs im Programmieren.
[English at the bottom]

Wir haben im Moment das Glück, dass unsere Kinder normalerweise zu Hause unterrichtet werden (Homeschooling) . Deshalb, für uns war die Bildungsstörung durch das Coronavirus minimal. Für eine konventionellere Schule ist dies in der Tat eine herausfordernde Zeit für alle...

Ich entschuldige mich für meine mittelmäßigen Deutschkenntnisse, aber ich verstehe das Konzept „eines Trockenschwimmkurses“ nicht. Ich kann die Teile sicherlich übersetzen, aber die Bedeutung des ganzen Wortes bin ich mir nicht sicher. Ahhh... Meinst Du der Unterricht des Programmieren ohne Computer (nur auf Papier)?

Gruß,
burkhard

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My family is fortunate right now in that our children are normally homeschooled. So, for us, the disruption of their education because of the Corona virus pandemic is quite small. For a conventional school though, I'm sure it's a very challenging time for everyone!

I apologize for my mediocre German skills, but I'm not quite understanding the concept of a "Dry Swimming Class" [Trockenschwimmkurs]. I certainly know the individual parts, but I don't fully grasp the overall meaning. Ahhhh, perhaps you mean that it's a course in programming where you don't actually use a computer (only on paper). I guess that is akin to learning how to swim without getting wet!

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The Rob
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von The Rob » 26 Mär 2020, 21:35

Yes, I think you got it quite right.
"Trockenschwimmkurs" is a term used to describe a way of learning or teaching. It is usually used to point out two things:
  1. What you're doing lacks the core feature, like water for swimming or a computer for programming.
  2. what you're doing looks stupid
In this case Esther wants to point out that it lacks the core feature of ft-RoboPro - hardware components, that interact with the code. Programming with RoboPro is easy and fun, because you can see the connection between the model and the program onscreen. Without any buttons to push, it's quite nonsensical.

https://youtu.be/nmu0v6KK9_Y?t=78
(I don't want to offend the publisher of the video, in times like these she is doing the best she can.)

Burkhard
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von Burkhard » 26 Mär 2020, 21:58

Got it, Rob, thank you. I had entirely missed that the thread had a first page. :oops: If I had seen that discussion, it would have been self-evident.
I might be wrong, but I don't think we've got a comparable word for that in English other than a drawn-out description.

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Triceratops
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von Triceratops » 31 Mär 2020, 12:09

Hallo
EstherM hat geschrieben:
24 Mär 2020, 12:09
Hallo zusammen,
kann das sein, dass das als Hausaufgabe völlig daneben ist? Die Kinder sollen eine App installieren,
mit der sie noch nicht vorher gearbeitet haben, und sich den Umgang damit selbst beibringen?

Gruß
Esther
Mal eine blöde Frage: Was machen eigentlich die Kinder, die kein Smartphone haben (Hartz-IV etc.) und sich auch keines
leisten können? Wird denen eines Seitens der Schule gestellt? Die verantwortlichen Lehrer sollten erstmal das abklären.

Gruß, Thomas :x

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Kali-Mero
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von Kali-Mero » 31 Mär 2020, 12:23

Hierzu gab es an unserer Schule jetzt eine Umfrage:

Was ist zu tun, wenn dieser Zustand nach den Osterferien NICHT beendet ist und wir uns auf eine längere Sicht auf Homeschooling einstellen müssen. Hier wurde tatsächlich der Bedarf an digitaler Hardware abgefragt, wenn sir nicht im Haushalt vorhanden ist.

Ich habe bei unserer Schule schon das Gefühl, dass die gerade kalkulieren, was hier an Aufwand zu leisten ist, um abwägen zu können, ob das dann von der Schule im Ernstfall auch geleistet werden kann. Es geht dann aber nicht um Smartphones, sondern eher um Klapprechner oder Tablets.

Dann gab es aber wiederum eine Rückmeldung, dass in einem Haushalt gerade permanent 4 Teilnehmer permanent Videokonferenzen halten, was die Bandbreite des Internetanschlusses in die Knie zwingen würde. Für alle wird es nicht DIE perfekte Lösung geben. Es bleibt spannend.

Grüßle
Der Kali

juh
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von juh » 31 Mär 2020, 22:14

Triceratops hat geschrieben:
31 Mär 2020, 12:09
Mal eine blöde Frage: Was machen eigentlich die Kinder, die kein Smartphone haben (Hartz-IV etc.) und sich auch keines
leisten können? Wird denen eines Seitens der Schule gestellt? Die verantwortlichen Lehrer sollten erstmal das abklären.

Gruß, Thomas :x
Die Frage ist völlig berechtigt und man sollte auf jeden Einzelfall schauen. Wenn man aber die letzt Bitkom-Umfrage zugrunde legt, haben mind. 97% aller ab 12-Jährigen Nutzungszugang zu einem Smartphone und 95% besitzen sogar ein eigenes Smartphone. Tablets allerdings deutlich weniger.

https://www.bitkom.org/sites/default/fi ... e_2019.pdf
https://www.bitkom.org/Presse/Presseinf ... Smartphone

lg
Jan

sven
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Re: Bildungspolitische Argernisse

Beitrag von sven » 31 Mär 2020, 22:35

Hallo!

Also bei meiner kleinen Nichte (8), Grundschule 2. Klasse ist es so, das sie seit dem die Schule geschlossen ist, jede Woche einen Wochenplan bekommt. Dort steht genau drin was sie machen muss, also welche Aufgaben aus welchen Buch usw.
Zusätzlich gibt es weiteres Material von den Lehrern, wenn nötig.
So musste für die Kleine ein Füller besorgt werden und es gabs von der Lehrerin einen Füllerführerschein, den sie zu Hause machen musste.
Das Material, Wochenpläne usw. stehen immer auf der Webseite der Grundschule zum Download bereit.
Wenn jemand keine Möglichkeit hat auf das Internet zuzugreifen, kann das Material auch von der Schule abholen, nach Absprache.
Das ist alles sehr gut organisiert.
Die entsprechenden Lehrerinnen und Lehrerin kann man telefonisch und per eMail natürlich kontaktieren, wenn nötig.
Für diese Woche hat sie noch einen vollen Plan und dann sind ja erst mal 2 Wochen Osterferien.

Was nach den Ferien passiert, muss man sehen. Ich fürchte das wird dann genau so weiter gehen.
Das die Schule dann schon wieder öffnet glaube ich kaum.
Allerdings sind die Eltern aber nun mal keine Lehrer, das darf man nicht vergessen.

Auch wenn das sehr schwierig ist (Raumprobleme, usw.), bin ich klar der Meinung, das das Schuljahr ggf. wiederholt werden sollte.
Für die Grundschule mag es sicherlich mit "Home Schooling" funktionieren, notfalls auch bis zu den Sommerferien. Diese könnte man ggf. auch vorziehen, aber bei den weiterführenden Schulen sehen ich Probleme. Da sind Eltern oft überfordert, ihren Kindern den Stoff beizubringen.
Vieles ist bei den Eltern so lange her, das die das selber gar nicht mehr können. Grade Chemie, Physik, Mathe, ... kann da schwierig werden.
Aber nicht nur das, vieles hat sich ja geändert in den Jahren.
Kommt ja auch immer drauf an, was die Eltern für eine Ausbildung haben.

Also ich bin gespannt wie das alles geregelt wird.

Gruß
sven
Dieses Posting gibt ganz allein meine persönliche Meinung wieder!

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