tl;dr: Für manchen ft-ler sind Billigstdrucker durchaus eine sinnvolle Option, v.a. wenn man sich schwer tut, beim Reinschnuppern 300€ aufwärts zu investieren. Wichtig ist aber, dass man die eigenen Präferenzen und Toleranzen berücksichtigt. Außerdem einige Erfahrungen, die ich allgemeine beim Einstieg gemacht habe.
Liebe 3D-Druck-Interessierte,
ich möchte hier keine große Debatte lostreten und stimme dem meisten des bisher Gesagten zu. Aber einige Aussagen
PHabermehl hat geschrieben:Die "ganz billigen" China-Bausätze wollte ich mir nicht antun, da ich nicht erst stunden- oder tagelang basteln und optimieren wollte, um brauchbare Ergebnisse zu bekommen.
MasterOfGizmo hat geschrieben:Der Zusammenbau ist in der Regel recht aufwändig.
MasterOfGizmo hat geschrieben:Man kann die billigen Drucker sorgfältig aufbauen und zu schwache Komponenten ersetzen und bekommt so ein halbwegs zuverlässiges Gerät. Dann ist man aber in der Preisklasse >€300, in der man das auch schon fertigt bekommt.
MasterOfGizmo hat geschrieben:Wer erst anfängt und halbwegs zügig zu Druckergebnissen kommen will wrd gute 300-400 Euro ausgeben müssen.
ergeben m.E. ein etwas einseitiges Bild zu den Billigstdruckern, denn es gibt durchaus andere Erfahrungen. Grundsätzlich gilt zwar das mit dem "selbst Hand anlegen" (MasterOfGizmo), aber das wird nach meinen Erfahrungen meist grob übertrieben oder beruht auf Hörensagen und abgesehen davon: sollte nicht genau das Selbstmachen vielen ft-lern Spaß machen?
Ich habe mir zu Weihnachten einen
Anet A8 für damals 145€ besorgt und bin
für meine Zwecke nach wie vor extrem happy damit. Der Aufbau war mit Hilfe der youtube Videos und technischem Allgemeinverständnis kein Problem und hat mir viel Spaß gemacht. Ist zwar nicht im 15mm-Raster, aber hey, welchem ft-Fan macht der Zusammenbau technischer Gegenstände keinen Spaß? Nebenbei wurde meine Neugier an der Funktionsweise der Technologie gestillt, das Gerät ist dadurch keine Black Box für mich, der Selbstaufbau also eher ein Vorteil. Erste Drucke ohne jede Optimierung waren aus meiner Sicht als Anfänger weit besser als das, womit ich gerechnet hatte, das waren echte wow-Erlebnisse und die Drucke sehen auch heute für mich noch top aus, die einzigen (ästhetischen) Probleme waren Ringing bei spitzen Winkeln in der XY-Ebene und Stringing bei manchen Filamenten, s.u.
Meinen make von thomasdrs Kugelbahntransportschraube z.B. habe ich noch ohne jede Modifikation gedruckt.
Rein optisch sehe ich keine Riesenunterschiede zwischen meinen Drucken und denen des Ultimakers oben, wobei das z.B. für große, v.a. hohe, Objekte oder z.B. ABS anders aussehen mag.
Bei den ganzen Optimierungen und Modifikationen für den A8 und andere Billigdrucker, die es z.B. bei thingiverse gibt und die man angeblich braucht, sollte man sich nicht täuschen lassen: die meisten sind sehr populär, aber echte vorher-nachher Vergleiche gibt es selten, d.h. deren Wirksamkeit bezüglich der Druckqualität ist oft rein subjektiv und da ist m.E. viel Wunschdenken dabei. Ja, ich selbst habe auch einige von diesen Optimierungen gedruckt und installiert, aber wenn ich ehrlich bin habe ich bisher die einzig wirklich
sichtbaren Verbesserungen
- softwareseitig (Acceleration-settings bzw. Reduktion der print speed gegen Ringing; Extruder Temperatur, retraction settings und v.a. coasting gegen Stringing; korrekte Einstellung des realen Filamentdurchmesssers gegen Under-/Overextrusion und Elefantenfüße) und
- durch Nachjustierungen des Aufbaus (Zentrierung der Z-axis coupler; belt tension, für die Modifikationen wie z.B. meine zwar nützlich, aber nicht wirklich notwendig sind)
erreicht. Auch teurere Drucker sind von Problemen dieser Art nicht immer frei, eine Lernkurve gehört wohl immer mit dazu bis zum optimalen Ergebnis. Ich glaube übrigens, dass viele der "Upgrades" v.a.aus anderen Gründen so beliebt sind, sie geben einem als Anfänger etwas (scheinbar) Sinnvolles zum Drucken und erzeugen ein Gefühl von "Ownership" für den eigenen Drucker, sind also eher Fuchsschwanzanhänger und Duftbäumchen als echtes Tuning. Manche der beliebtesten und am häufigsten empfohlenen "Upgrades" sind m.E. sogar mechanisch sinnlos oder Verschlimmbesserungen, da sie das unterstellte Problem gar nicht an der Ursache bekämpfen, z.B. viele der Gestellversteifungen oder z-axis anti-wobbles . Das Dumme ist, dass viele sich alleine von den likes und collects auf thingiverse oder entsprechenden Youtube-Videos leiten lassen, ohne Sinn und Notwendigkeit zu hinterfragen. Likes und collects haben oft aber mehr mit dem Alter des Objekts zu tun, Remixes oder neuere Lösungen sind oft in Wahrheit überlegen.
Aber, das alles soll keine generelle Empfehlung werden. Es gibt Einschränkungen, bei denen man für sich prüfen sollte, ob man die akzeptabel findet. Wenn Ihr Euch ausschließlich im Geltungsbereich deutscher DIN-Normen wohl fühlt, im Zweifel immer die Sicherheit der Freiheit vorzieht oder im Betrieb Kleinkinder nicht vom Drucker fernhalten könnt, könnte so ein Billigdrucker nicht das Richtige für Euch sein
.
- Sicherheitstechnisch auch für ambiguitätstolerante Menschen beim A8 ein Muss sind m.E. ein Mosfet für das Heizbett (als Modul ab ca. 3€ oder noch billiger selbstgemacht; ein zweites für den Extruder ist m.E. Overkill),
- eine vernünftige Abdeckung für die kaum gesicherten Kontakte des Netzteils (z.B. meine eigene Lösung) und
- Prävention gegen Kabelbruch z.B. durch cable chains für die Y-Achse, eher optisch bedingt auch für die X-Achse.
- Falls man die alte Firmware bekommt (scheint je nach Zulieferer unterschiedlich zu sein) sollte man die updaten, um bei Problemen mit den Heizelementen und/oder entsprechenden Sensoren Überhitzung zu vermeiden (runaway protection).
- Bequem, aber nicht wirklich notwendig ist ein Auto-Leveling Sensor ab ca 3€, wobei man im Falle des A8 nicht den von Anet nehmen sollte, die Montage hat Designfehler, auch hierfür braucht man die neuere Firmware.
- Trotz dieser Mods würde ich den Drucker nicht länger unbeaufsichtigt z.B. über Nacht drucken lassen. Für mich passt das, da ich für meine Zwecke (im Wesentlichen selbstgemachte ft-Teile, hier mein erstes) keine besonders großen Objekte drucken muss.
Wirklich wichtige Zusatzkosten sind also <10€, da fallen die Kosten für das Filament deutlich höher aus, wenn man ein wenig Auswahl bei den Farben will, hat man den Preis des Druckers schnell überholt. Das (beim A8 vorhandene) Heizbett wäre übrigens für meine Zwecke verzichtbar, da ich nur mit PLA drucke und dabei ohne Nutzung des Heizbetts die gleichen Ergebnisse erziele. Mit ABS sähe die Sache vielleicht anders aus.
MasterOfGizmo hat geschrieben:Auch mit weniger Geld kann man unter Abstrichen Spass haben, aber da muss man dann schon selbst Hand anlegen und wird mehr Know-How aufbauen müssen.
Also abschließend durchaus Zustimmung zu diesem Statement, ich glaube aber, dass die Frickler unter den ft-lern (z.B. die, die einem original ft-Teil auch mal mit Cutter oder Bohrer zu Leibe rücken) gute Voraussetzungen mitbringen sollten, um das nicht als Nachteil zu sehen.
So, das Ganze ist etwas länger geworden, aber vielleicht hilfreich für manche, die eben nicht mehr als 150€ für ein Reinschnuppern in den 3D-Druck investieren wollen oder sogar mit dem A8 liebäugeln. Übrigens bin ich ein sehr später A8-Nutzer, das Modell ist eigentlich veraltet. Ich glaube aber, dass das im Fall der Billigdrucker eher ein Vorteil ist, da inzwischen viel Know-How über den Drucker vorhanden ist und das Produkt selbst auch verbessert wurde, z.B. die Heizbettanschlüsse auf dem Mainboard. Falls ihr mit einem Billigstdrucker liebäugelt, würde ich also dazu raten, einen zu nehmen, der schon eine Weile auf dem Markt und gut verbreitet ist. Ich glaube der oben erwähnte Creality Ender-2 könnte in dieser Beziehung den A8 einholen, und ist bis auf die Größe des Druckbetts von den Features her ein gutes Stück besser.
Und grundsätzlich zum Thema 3D-Drucker noch ein subjektiver Kommentar: Aus meiner Sicht macht eine Anschaffung nur Sinn, wenn man selbst Teile designen kann oder sich die entsprechenden Kenntnisse draufschaffen will. Zwar gibt es jede Menge frei verfügbarer Teile, aber man bleibt auf das beschränkt, was andere gemacht haben. Und wenn man ehrlich ist, gibt es nur wenige sinnvolle generische Anwendungszwecke für einen eigenen 3D-Drucker, viele der populärsten Designs sind zwar nett gemacht, letztlich aber Gimmicks (3D-Puzzles etc.), geschmackloser Tinnef (3D-Schädel etc.) oder haben weit billigere und robustere analoge Äquivalente (Schraubzwingen etc.). Wirklich und langfristig nützlich ist so ein Ding also nur, wenn man eigene Ideen damit umsetzt und erst eigene Anpassungen oder Neuschöpfungen machen für mich den echten Spaß aus. Wobei der Einstieg auch hier machbar ist. Tools wie Tinkercad oder Sketchup haben sehr flache Lernkurven, ich als OSS-Fan habe mir seit Weihnachten FreeCAD angeeignet, das ist für Fachfremde deutlich steiler, aber für meine Zwecke inzwischen ein klasse Werkzeug.
lg
juh